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Unterwegs im Cajun Country

Wetland − Am nächsten Morgen fahren wir in den Staat Louisiana ein. Der Interstate ist über weite Strecken auf Stelzen angelegt, um die riesige Sumpflandschaft überhaupt passierbar zu machen. Im Visitor Center erkundigen wir uns über Sehenswürdigkeiten in Louisiana und die aktuelle Lage in den von Katrina verwüsteten Küstenregionen. Wir erfahren, dass praktisch alle Strassen wieder offen sind. Wegen der Sicherheit bräuchten wir uns ebenfalls keine Sorgen zu machen, solange wir ein paar Regeln beachten. So werden wir wahrscheinlich New Orleans auslassen und je nach Ort in ein Motel ausweichen, anstatt im Auto zu pennen .

Unser erstes Ziel in Louisiana ist Lafayette. Hier verabreden wir uns für morgen mit einem Bootsführer für eine Sumpftour. An der Küste von Louisiana münden viele Flüsse, darunter der Mississippi, in den Golf von Mexiko und lassen grosse Flussdeltas entstehen. Nebenarme, die langsamer fliessen als der Hauptfluss oder solche, die ganz vom Hauptarm abgetrennt sind, nennt man Bayous. Sie sind der Lebensraum für viele verschiedene Arten von Vögeln, Aligatoren, Krebsen (crawfish) etc. Wir dürfen also gespannt sein auf den morgigen Ausflug...

 

Scharf − Den heutigen Tag überbrücken wir mit dem Besuch von Avery Island. Auf der kleinen Insel befindet sich der Firmensitz von McIlhenny Co, dem Hersteller der weltbekannten Tabascosaucen. Die Fabrik steht interessierten Besuchern offen. Zuerst bekommt man einen kurzen Film über die Geschichte der Insel und des Betriebs gezeigt. Danach erhält man Einblick in die Produktionsstätte. Leider stehen heute (Sonntag) die Maschinen und Fliessbänder still. Am Schluss des Rundgangs hat man im Showroom anhand von Ausstellungsgegenständen, historischen Dokumenten und verschiedenen Spielen nochmals die Möglichkeit, das Wissen über die Geschichte und Herstellung der Tabascosaucen zu vertiefen.

Die Firma McIlhenny Co wurde 1868 auf Avery Island gegründet und ist bis heute in Familienbesitz geblieben. Der genaue Herstellungsprozess sowie die Rezeptur der original Tabasco Pepper Sauce ist ein streng gehütetes Firmengeheimnis. Bekannt ist, dass die Tabascosauce ausschliesslich aus Essig, zerstossenen, reifen Chilis und Salz ohne Zusatz von Konservierungsmitteln oder Farbstoffen hergestellt wird. Der besondere Geschmack der Sauce entwickelt sich durch den Fermentierungsprozess, den der Chilisud während seiner bis zu dreijährigen Lagerung in Eichenfässern durchmacht. Die für die Sauce verwendeten Chilis stammen von Pflanzen, deren Zucht der Firma unterliegt. Ein Teil wird direkt auf der Insel angebaut, die grössere Menge jedoch stammt aus Lateinamerika. Das verwendete Salz wird aus den Salzvorräten von Avery Island gewonnen.

Die Tabascosaucen werden heute in über 160 Länder exportiert. Alle Flaschen werden hier auf Avery Island abgefüllt. Zur original Tabasco Pepper Sauce kommen seit 1993 immer neue Saucen mit speziellen Geschmacksrichtungen (Knoblauch, Sweet & Spicy etc) hinzu. Im Tabasco Country Store können wir die verschiedenen Saucen probieren. Am besten schmeckt uns die Tabasco Chipotle Pepper Sauce, mit ihrem leicht rauchigen Geschmack. Der Firmenladen bietet nebst Saucen auch unzählige andere Souvenirs im Zusammenhang mit Chili und Tabasco an. Markus kauft sich eine Krawatte mit Tabasco Motiv. Damit wird er zurück im Büroalltag bestimmt scharf aussehen ;-)

 

New Iberia − Auf dem Rückweg nach Lafayette halten wir in New Iberia. Der Sonntag ist auch hier spürbar. Der Ort wirkt ruhig, es sind nur wenige Passanten unterwegs. Hinter einem Zaun versteckt sich die historische Residenz «Shadows-on-the-Teche». Eine Säulenfront und eine grosse Veranda lassen das Haus wohlhabend erscheinen. Da wir auf unserem Weg durch die Südstaaten sicherlich noch mehr solcher «Plantation Houses» sehen werden, verzichten wir vorerst auf eine kostenpflichtige Führung.

 

Super Bowl Sunday − Heute Abend findet in den USA eines der wichtigsten Sportereignisse des Jahres statt. Der Super Bowl ist das Finale der American-Football-Profiliga (National Football League NFL). Er findet jeweils am ersten Sonntag im Februar statt und erreicht in den Vereinigten Staaten regelmässig die höchsten TV-Einschaltquoten des Jahres. Für manche hat der Super Bowl Sunday gar den Status eines inoffiziellen nationalen Feiertages erreicht und man munkelt, dass in diversen nordamerikanischen Grossstädten der Wasserdruck während der Halbzeit gefährlich nachlasse, weil dann viele Fernsehzuschauer gleichzeitig die Toilette benutzen.

Neben dem Interesse am Spiel sorgt vor allem auch die Show während den Pausen für Unterhaltung und manchmal auch für rote Köpfe bei den eher prüden Amerikanern. Man denke dabei an die Show im Jahr 2004 als Justin Timberlake beim Duett mit Janet Jackson (un)absichtlich deren Brust entblöste. Um den Fernsehzuschauern solche Anblicke in Zukunft zu ersparen, wird die Show seither mit 5 Sekunden Verzögerung übertragen. So ist beim heutigen Auftritt der Rolling Stones kein Skandal zu erwarten.

Auch die Werbeunterbrechungen liefern Gesprächsstoff unter den Zuschauern. Die Firmen scheuen keine Kosten, um ihre Produkte in dieser begehrten Sendezeit zu bewerben (30 Sekunden Werbezeit kosteten bei der Austragung 2008 2,8 Millionen US $!). Die Werbespots werden teilweise mit hohem Aufwand extra für den Super Bowl produziert.

Wir verfolgen das sportliche Ereignis in Pete’s Sports Bar in Lafayette. Dort kann man während dem Essen das Spiel auf einem der grossen Bildschirme im Lokal verfolgen. Obwohl die Bar gut besucht ist und die Bedienung extra Super Bowl Becher und Krachmacher verteilt, bleibt die Stimmung etwas lau. Die Seattle Seahawks verlieren gegen die Pittsburgh Steelers, die mit Ben Röthlisberger einen Quaterback mit Schweizer Wurzeln im Team haben. Lulu, die die Seahawks unterstützt, ärgert sich gründlich. Sie avanciert kurzfristig zur Footballkennerin und meint zu erkennen, dass der Schiedsrichter die Jungs von Seattle mehrmals ungerechtfertigterweise zurückpfeift und so um den Sieg bringt ;-)

Trotz dieser Enttäuschung ist der Abend in der Sports Bar für uns ein Erlebnis. Zur Erinnerung wollen wir ein T-shirt mit dem Logo des Lokals kaufen, welches auch von den Angestellten getragen wird. Im Verlaufe des Abends wurden auch ein paar dieser T-shirts unter den Gästen verlost, doch leider war uns das Glück nicht hold. Die Angestellte wirkt bei unserer Anfrage etwas verunsichert. Da sie normalerweise keine Shirts verkaufen, weiss sie nicht, wieviel sie verlangen soll. Wir einigen uns für $ 10. - pro T-shirt. Dummerweise verlassen wir daraufhin die Bar zu langsam. Kurz vor dem Ausgang holt uns die Angestellte ein und teilt uns mit, dass sie nach Rücksprache mit dem Chef je $ 20.− für ein Shirt hätte verlangen müssen. Das ist uns für ein simples T-shirt zu hoch und wir geben die beiden Exemplare zurück. Die Reaktion des Chefs enttäuscht uns, ist sie für einen Amerikaner doch atypisch kleinlich. Dabei machte er eigentlich einen netten Eindruck. Während des Spiels hat er sich extra eine Weile an unseren Tisch gesetzt und uns willkommen geheissen, nachdem er von der Angestellten erfahren hat, dass wir aus der Schweiz sind.

 

Sumpftour − Am nächsten Morgen fahren wir über Breaux Bridge zum Lake Martin, wo wir uns mit Bryan Champagne für eine Sumpftour verabredet haben. Doch wir warten vergeblich auf Bryan. Als es zu regnen beginnt, fahren wir zurück nach Breaux Bridge, wo wir in einem Laden das Telefon benutzen dürfen, um den Guide anzurufen. Bryan macht uns glauben, dass es bei der Terminvereinbarung ein Missverständnis gegeben hat. Vielleicht war der heutige Tag aber auch einfach perfekt, um zum Fischen hinauszufahren? Auf jeden Fall verspricht er nun, so rasch als möglich zum Lake Martin zu kommen. Die Tour kann also doch noch stattfinden. Nachdem wir mit der Ladenbesitzerin, welche uns das Telefon zur Verfügung stellte, noch ein paar Worte über ihre Schweizer Vorfahren gewechselt haben, fahren auch wir zurück zum Treffpunkt am See.

In einem kleinen Fischerboot fährt uns Bryan in den Atchafalaya Basin Swamp. Der flache Rumpf des Bootes erlaubt es uns, auch in sehr seichtem Wasser vorwärts zu kommen und tief in den Sumpf vorzudringen. Schon bald befinden wir uns inmitten eines überfluteten Waldes. Die mit grauem spanischen Moos bewachsenen Zypressen bilden einen schönen Kontrast zu der mit grüner Vegetation bedeckten Wasseroberfläche. An einigen Stellen führen breite «Wasserstrassen» zwischen den Bäumen hindurch. An anderen muss sich das Boot durch die dichte Vegetation kämpfen. Einmal bleiben wir mit dem Motor in den Wasserpflanzen hängen. Bryan lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Er, der an diesen Bayous aufgewachsen ist, kennt den Sumpf und seine Tücken in- und auswendig. Immer wieder macht er uns auf die vielfältige Flora und Fauna aufmerksam. Wir sichten zwei Alligatoren, eine Schildkröte, eine Schlange, eine Biberratte (Nutria) und mehrere Silberreiher.

 

Cajun − Bryan erzählt uns auch vom Leben an den Bayous. Von der Alligatorenjagd und der «Ernte» von spanischem Moos, welches zum Teil als Füll- und Stopfmaterial Verwendung findet. Ein grosser Teil der hiesigen Bewohner gehört den Cajuns (franz. Cadiens) an. Um mehr über die Geschichte und Lebensweise dieser ethnischen Minderheit zu erfahren, empfiehlt uns Bryan, selbst ein Cajun, dem Acadian Cultural Center in Lafayette einen Besuch abzustatten. Diesem Tipp folgen wir gerne und besuchen am Nachmittag das besagte Zentrum, welches eines von sechs Standorten des Jean Lafitte National Historical Park and Preserve darstellt.

Nebst einer Ausstellung über die Geschichte und Kultur der Cajuns zeigt das Zentrum einen eindrücklichen Film über die schrecklichen Umstände, wie die Cajuns nach Louisiana kamen. Demnach sind ihre Vorfahren im 17. Jahrhundert von Frankreich ins heutige Nova Scotia in Canada ausgewandert. Ihre neue Heimat nannten sie l’Acadie, woraus die Bezeichnung Cadiens für die Bewohner entstand. Daraus wiederum entwickelte sich später die amerikanische Version Acadiens und schliesslich Cajuns. Als Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen England und Frankreich ein Krieg um die französischen Gebiete in Nordamerika ausbrach, wurde es für die Cajuns eng. Mit dem Sieg der Engländer war ihr Schicksal endgültig besiegelt. Wegen ihrer Verweigerung der englischen Krone Treue zu schwören, wurden sie von den Engländern fortan brutal verfolgt. Man steckte ihre Häuser und Felder in Brand und deportiere die Cajuns um 1755 unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Süden der USA. Viele starben während der sogenannten «grand dérangement». Ein Teil der Überlebenden wurde versklavt, in Gefängnisse geworfen und von ihren Familien getrennt.

Andere Cajuns hatten das Glück im südlichen Louisiana eine neue Heimat zu finden. In den Bayous (Sumpfgebiete) rangen sie als Fischer, Jäger und Bauern der wilden Natur ihre Existenzgrundlage ab.

Aber auch in Louisiana blieben die Cajuns weiterhin Aussenseiter. Lange Zeit lebten Sie völlig isoliert und galten wegen der hohen Zahl an Analphabeten und wegen ihrer komischen Sprache (alter französischer Dialekt) als Hinterwäldler. Ab 1916 war es den Cajuns verboten an ihren Schulen auf französisch zu lehren. Erst in den 1970er Jahren erkannte man nach langen Bemühungen seitens der Cajuns den Wert ihrer Kultur an und französisch wurde offiziell als zweite Staatssprache von Louisiana anerkannt.

Heute ist Cajun vor allem bei Musikliebhabern und kulinarisch Interessierten ein Begriff. Ein wichtiger Bestandteil der lokalen Gerichte sind Meeresfrüchte, Fische aber auch Geflügel-, Schweine- oder Aligatorenfleisch. Drei bekannte Vertreter aus der Cajun-Küche sind das Reisgericht Jambalaya, der Eintopf Gumbo und Boudin, eine Wurst aus Schweinefleisch und Reis.

Mit dem Mulate’s in Breaux Bridge haben wir von Neal und Vaida (Canyon Lake, Texas) einen Restauranttipp für Cajun Food erhalten. Die Speisekarte überzeugt uns jedoch nicht. Erstens hat es praktisch nur Seafood im Angebot und zweitens ist es relativ teuer. Wir verlassen darum nach dem Besuch im Acadian Cultural Center das Cajun Country (auch Acadiana genannt) und fahren weiter nach Baton Rouge, der Hauptstadt von Louisiana.